Mir fehlen die Worte!
Donald Trump dürfte durchaus wissen, dass Worte die Realität formen. Deshalb will er über 200 aus der Amtssprache streichen.
von Patricia Otuka-Karner
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von Patricia Otuka-Karner
Sprache bestimmt unser Denken, gibt uns die Macht, Ungerechtigkeiten zu benennen und Mauern zu durchbrechen. Wenn Worte wie „gender-based violence (GBV)“ oder „Rassismus“ nicht mehr existieren sollen, dann fehlen Überlebenden und Betroffenen auch Begriffe, um die Verbrechen und Missstände zu benennen. Donald Trump will diese und über 200 weitere Worte, darunter auch „weiblich“ und „Frauen“, aus der Amtssprache streichen – mit potenziell weitreichenden Folgen.
Es zirkuliert eine Liste mit über 200 Wörtern, die laut dem „Anführer der freien Welt“ nicht mehr in US-Regierungsdokumenten oder auf US-Webseiten vorkommen sollen. In zahlreichen Memos ordnete Trump die Streichungen an. Mit der Umsetzung wurde teilweise schon begonnen. Die politischen Absichten scheinen klar: Wer gezielt „GBV“, „Ungleichheit“ oder „Feminismus“ löschen möchte, verbannt auch die dahinterliegenden Probleme aus der Wahrnehmung. Worte formen unsere Realität – und Trump dürfte sich dessen durchaus bewusst sein. Er nutzt Wiederholungen, um Botschaften zu verankern, untergriffige Bezeichnungen für Gegner:innen oder auch die Umbenennung von geografischen Orten. Doch Missstände verschwinden nicht, nur weil sie nicht mehr benannt werden. Im Gegenteil: Wer Kontrolle über Sprache gewinnt, kontrolliert auch das Denken. Und das ist der eigentliche Zweck der sprachlichen Auslöschung: Macht sichern, Ungerechtigkeit verschleiern, Mauern aufbauen.
Es handelt sich keineswegs um einen „trumpesken Irrsinn“, den man lediglich belächeln sollte. Lasst uns stattdessen Worte finden, um unsere Empörung auszudrücken. Denn Sprachverbote haben konkrete Auswirkungen und fördern Sprachlosigkeit. Dafür gibt es unzählige Beispiele. Ich arbeite beim Netzwerk The Rain Workers und höre in meiner täglichen Arbeit, wie verheerend es ist, wenn Worte fehlen. Kolleg:innen in afrikanischen Ländern leisten sexualpädagogische Aufklärung in lokalen Sprachen, damit Frauen und Mädchen informierte Entscheidungen in Bezug auf Sexualität und Familienplanung treffen können – und sich gegen sexualisierte Gewalt wehren können. Oft fehlen in lokalen Sprachen Begriffe, etwa für Sexualorgane. Andere Begriffe existieren zwar, doch sind sie mit Scham belegt oder gar kriminalisiert. In unseren Aufklärungsworkshops zeigt sich immer wieder die Problematik dahinter: Wer zum Beispiel keinen Begriff für „Vulva“ hat, tut sich schwer zu erfassen, wofür das Organ gebraucht wird. Dann kann Erlebtes schwer begriffen und keine Hilfe geholt werden. Wer „Sex“ oder „GBV“ nicht sagen darf, kann Bedürfnisse nicht formulieren, Rechte nicht einfordern. Für Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, bedeutet Sprachlosigkeit auch Hilflosigkeit. Eine gemeinsame Sprache – das Benennen, Aussprechen und Hinhören – ist ein zentraler Aspekt unserer Arbeit. Sprache ermöglicht, sich aus der Unsichtbarkeit zu lösen, und ist wesentlich in sexueller Bildung und Gewaltprävention.
Wie viele Schritte machen wir nun also rückwärts, wenn Trump plötzlich Begriffe streicht? Zu viele, fürchte ich, wenn Sprachverbote widerstandslos hingenommen werden. Bereits jetzt fehlen uns manchmal die Worte ob der Ungerechtigkeiten, die wir täglich sehen. Aber lassen wir uns nicht entmutigen. Verteidigen wir unsere Worte – denn ohne sie verlieren wir die Möglichkeit, für unsere Rechte einzustehen.
Dieser Text wurde als Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse erstveröffentlicht.